Kapitel 8 – Blind und Stumm
»Was ist das? «
»Das
sind Anfälle. Es hat was mit ihrer Vergangenheit zu tun. Sie erzählt
nie etwas davon, noch nicht mal ich weiß alles, noch nicht mal einen
Bruchteil. « Ich höre Stimmen. Verschwommen. Verzerrt. Aber ich kann sie
erkennen. Raze. Lucas. Sie unterhalten sich. »Hat sie die öfters? «
»Ja leider. In letzter Zeit dachte ich zwar, dass es besser geworden ist, aber das heute … «
Die
Stimmen werden klarer. Jetzt kann ich alles hören. Ich will die Augen
öffnen, aber es geht nicht, genauso wenig wie sich mein Mund öffnen
kann. Ich kann nichts anderes tun, als zuhören.
»Vor ein paar Tagen,
als sie das letzte Mal hier war, da hatte sie auch einen. Sie hat nicht
ein Wort dazu gesagt. Sie ist mehr oder weniger raus gerannt. « Das war
Raze´ Stimme. Muss er unbedingt mit Lucas darüber reden? Das ist eine
Sache die mur mich etwas angeht.
»Noch einen? Also hatte sie schon
zwei Anfälle in einer Woche? «, fragt Lucas. Ich kann hören wie besorgt
er ist, aber das ist er immer wenn es um mich geht. Raze antwortet ihm
ohne Umschweife.
»Ja. Wie häufig kommen sie normalerweise, also in welchen Abständen? «
»Na
ja, sonst so ein Mal, höchstens zwei Mal im Monat. Und in den letzten
zwei Monaten hatte sie gar keine, jedenfalls nicht das ich wüsste. « Mir
wäre es lieber, wenn sie sich über mein Sexleben unterhalten würden, so
ziemlich wäre mir alles lieber, aber doch bitte nicht meine Anfälle.
Das ist eine Sache, die zu tief in meine Seele geht. Niemand darf wissen
wie es dort aussieht, nicht einmal ich, denn ich sehe nur Schwarz. Noch
immer kann ich mich nicht bewegen, kann meinen Körper noch nicht einmal
spüren. Ich fühle mich wie in einem Käfig, in meinem eigenen Körper.
»Wie werden diese Anfälle ausgelöst? «
»Ich
kann selber nur raten. Sie redet ja nicht mit mir darüber. Aber ich
denke es wird durch Erinnerungen ausgelöst. Sie sieht etwas, oder eine
Situation erinnert sie an eine aus ihrer Vergangenheit und dann, tja.
Das halt. « Ich kann spüren wie er mich ansieht und habe ein klares Bild
vor Augen, von seinem besorgten Blick. Ich weiß wie er aussieht wenn er
so über mich redet, denn so hat er mich schon hunderte Male angesehen.
Du
darfst Raze das nicht sagen. Das geht ihn nichts an. Würde ich aber am
liebsten schreien. Was fällt Lucas ein so etwas aus zu plaudern? Das
geht nur mich etwas an, höchstens ihn, aber nicht Raze. Ich will nicht
dass irgendjemand etwas über mich erfährt. Er hat kein Recht dazu das zu
entscheiden. Ich wünschte ich könnte etwas sagen, ihn anschreien und
schlagen. »Okay. «, ist das Einzige was Raze dazu sagt und ich bin froh,
dass es nicht noch mehr Fragen sind die Lucas beantworten könnte.
»Hör
zu. Ich mag dich nicht und ich weiß auf was du hinaus willst. Aber ich
sehe dass du ein einigermaßen guter Kerl bist. Aber wenn du ihr nur
einmal wehtust, dann breche ich dir alle Knochen einzeln. Ich weiß sie
wirkt taff, aber sie ist zerbrechlicher als du denkst. « Ich könnte
heulen vor Wut. So viel zum Thema bester Freund. Ich weiß, er will nur,
dass ich nicht verletzt werde, aber verdammt nicht mal, er hat nicht so
mit anderen über mich zu reden. Ich kann gut auf mich alleine aufpassen
und das weiß er. »Gut dass du es ansprichst. Ich mag dich nämlich auch
nicht und auf was will ich bitte hinaus? Es ist nicht meine Absicht ihr
weh zu tun. «, beteuert Raze. »Du weißt was ich meine. «
»Ich will sie nicht nur ins Bett kriegen. Es geht mir nicht um Sex. « sagt Raze.
Nicht nur. Hallen die Wörter kurz in meinem Kopf nach, aber ich vergesse sie schnell wieder.
»Na
ja, im Bett hast du sie jedenfalls jetzt. « Ich höre Lucas´ leises
Lachen, das was ich sonst so liebe, aber jetzt hört es sie nur noch
falsch an. »Da hatte ich sie schon, sogar nackt. «, entgegnet Raze
trocken. Es macht mir nichts aus, das er das gesagt hat. Ich stehe für
gewöhnlich zu solchen Sachen. »Was? «, fragt Lucas entgeistert.
»Hast mich schon verstanden. « Ich kann die Schadenfreunde in Raze´ Stimme hören und kann es verstehen. Lucas hat es verdient.
Mit
einem Mal kann ich meinen Körper wieder spüren. Meine Hände kribbeln,
sowie meine Arme und Beine. Ich merke etwas Weiches unter mir, ein Bett
wahrscheinlich. In meinem Körper kehrt Leben zurück. Ich schaffe es
meinen Mund zu öffnen, die Luft in mich ein zu saugen. Dann öffne ich
die Augen. »Du Arsch. «, ist das erste was herausbringe.